Fotos: © Robert Wimmer

INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 11. Mai 2019

»Ich habe einen Hang zur Groteske«

Christine Dobretsberger im Gespräch mit Nikolaus Habjan

Der Puppenspieler, Regisseur und Kunstpfeifer über den Zauber der Illusion, zu der er mit seinen Klappmaulfiguren einlädt, und die Herausforderungen, vor die ihn die Inszenierung der Oper "Oberon" stellt.

Wiener Zeitung: Herr Habjan, wie schafft man es als Puppenspieler, einer Figur nicht nur den Anschein von Lebendigkeit einzuhauchen, sondern auch Seele? Sie arbeiten zumeist mit lebensgroßen Klappmaulpuppen, die über keine Mimik verfügen, nur über einen beweglichen Mund. Dennoch gewinnt man als Zuseher den Eindruck, als würde sich der Gesichtsausdruck der Puppe verändern. Woran liegt das?

Nikolaus Habjan: Für mich als Puppenspieler kommt die Komponente dazu, dass ich auch der Puppenbauer bin. Wenn ich das Gesicht modelliere, überlege ich mir schon, welche Stimme passt zu diesen Augen oder zu diesem Zug um den Mund? Zum anderen arbeitet das Publikum selbst viel mehr mit, als es denkt. Die Illusion der Puppe klappt nur, wenn das Publikum die Puppe als Projektionsfläche akzeptiert und nützt.

Als Projektionsfläche für die eigene Fantasie?

Genau. Wenn man zum Beispiel denkt, jetzt ist die Puppe fröhlich, lachen plötzlich auch ihre Augen, was de facto ja unmöglich ist, aber von unserem Gehirn zum richtigen Moment hineinprojiziert wird.

Der Erfolg des Puppenspiels hängt also bis zu einem gewissen Grad auch von der Bereitschaft des Publikums ab, die eigene Fantasie ins Spiel zu bringen?

Das ist auch der Grund, weshalb ich in allen meinen Stücken offen spiele. Man sieht immer, wie diese Illusion zustande kommt. Ich stecke vor den Augen des Publikums meine Hand in die Puppe hinein, verstecke mich nicht, stehe neben ihr, bin kein Bauchredner, sondern spreche ganz normal. Das führt dazu, dass sich das Publikum nie die Frage stellt: Wie wird das gemacht? Wenn man rätselt, wie das Ganze funktioniert, hat man schon längst überhört, was eigentlich erzählt wird. Es ist kein Zwang zur Illusion, sondern eine Einladung zur Illusion.

Hat man als Puppenspieler eine andere Sprechtechnik als ein Schauspieler?

Man spricht vielleicht mit größerem Bewusstsein, was man als Schauspieler auch tun sollte, was oft aber nicht passiert, weil man sich heute am Theater nicht mehr traut, ein bisschen mehr Emotion in die Stimme zu legen. Das finde ich schade. Als Puppenspieler muss durch Sprache viel kompensiert werden, weil die Puppe gewisse Dinge eben nicht kann. Ihr steht nun einmal keine variantenreiche Mimik zur Verfügung. Da kann man mit Sprache einiges wettmachen.

Alle Ihre Puppen verbindet in optischer Hinsicht, dass sie vom Leben gezeichnet sind. Manche wirken surrealistisch, andere erinnern sogar ein wenig an Egon Schiele.

Ich liebe Schiele, auch Kokoschka, Klimt, Lucian Freud, Otto Dix oder Deix! Diese Künstler haben mich sicher sehr beeinflusst. Ich finde es spannend, wenn man haarscharf an der Karikatur vorbei schrammt, aber dadurch vielleicht umso wahrhaftiger wird. Ich habe einen Hang zur Groteske, die im Puppentheater sehr von Vorteil sein kann.

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