Fotos: © Robert Wimmer

INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 18. Februar 2017

»Ein Verleger hat für den Autor zu kämpfen«

Christine Dobretsberger im Gespräch mit Ulrich N. Schulenburg

Ulrich N. Schulenburg, Geschäftsführer und Miteigentümer des Thomas Sessler Verlags, über das Geschäft mit Theatertexten, literarische Zufallsentdeckungen - und seine Männerfreundschaft mit Peter Turrini.

"Wiener Zeitung": Herr Prof. Schulenburg, wer im deutschen Sprachraum Theater macht, kommt an Ihnen beziehungsweise am Thomas Sessler Verlag nicht vorbei . . .

Ulrich N. Schulenburg: Das ist richtig, wir sind in einer sehr guten Position. Wir blicken auf eine lange Tradition zurück und sind mit unseren neuen Stücken am Puls der Zeit. Ich denke, so einen Verlag kann man heute gar nicht mehr neu gründen, weil dann die Backlist fehlen würde. Interessanterweise gab es einen Versuch von Fritz Molden, der in guten Zeiten, als er noch das Pressehaus hatte, einen neuen Theaterverlag ins Leben rufen wollte. Innerhalb von drei Jahren hatte er zwei Millionen Schilling verloren, weil kein einziges Stück, das er erworben hatte, je auf einer Bühne gespielt wurde. In erster Linie waren das ungarische Theaterstücke.

Was macht es so schwierig, Werke von ausländischen Dramatikern auf deutschsprachigen Bühnen zu etablieren?

Wenn man Theaterstücke von fremdsprachigen Autoren bei Agenturen lizensiert, ist die Nutzung zeitlich auf fünf Jahre und örtlich auf den deutschsprachigen Raum limitiert. Bis das Werk übersetzt und bei Bühnen beworben ist, vergehen weitere zwei Jahre. Wenn man tüchtig ist, kann man ein neues fremdsprachiges Stück nach rund drei Jahren zur Aufführung bringen.

Der Aufwand zahlt sich also nur aus, wenn dieses Stück dann wirklich oft aufgeführt wird.

Ja, es rentiert sich nur in Einzelfällen, wie beispielsweise bei einer erfolgreichen Broadway-Produktion, bei der man davon ausgehen kann, dass sie auch hier Anklang beim Publikum finden wird.

Wie sehen die Bedingungen bei deutschsprachigen Theaterstücken aus?

Man erwirbt ein Werk auf Schutzfristen, das heißt bis 70 Jahre über den Tod des Autors bzw. Mitautors hinaus. Das ist eine sehr lange Zeit und gibt eine gewisse Sicherheit für eine oftmalige Verwertung dieses erworbenen Stückes.

Tritt der Autor sämtliche Rechte auf sein Werk ab?

Nur die Werknutzungsrechte, die Urheberrechte bleiben seit einer Gesetzesnovelle aus dem Jahr 1936 immerwährend beim Autor.

Wie groß ist das Mitspracherecht eines Bühnenautors bei der Umsetzung seines Theaterstückes?

Ein Autor hat immer Mitspracherecht und kann natürlich auch Einspruch erheben im Falle einer Werkverfälschung. Wir haben etliche Prozesse geführt - und diese auch gewonnen, aber es ist immer auch ein Abwägen im wirtschaftlichen Bereich, ob man dieses oder jenes Theater verärgern soll . . .

Was gilt konkret als Werkverfälschung?

Wenn inhaltliche Textveränderungen vorgenommen werden. Beispielsweise wenn aus tagespolitischem Anlass neue Monologe verfasst werden, die zwar zeitgemäß sein mögen, aber nicht vom Autor vorgesehen waren. Streichungen oder Umstellungen von Szenen gelten nicht als Verfälschungen. Natürlich kommen auch von unserer Seite Anregungen, bevor das Werk Theatern angeboten wird.

Wie reagieren die Autorinnen und Autoren in der Regel auf diese Anregungen?

Ganz unterschiedlich. Wolfi Bauer war zum Beispiel völlig beratungsresistent. Wenn unser Lektorat anregte, dass man eine bestimmte Szene vielleicht da und dort noch ein bisschen verändern könnte, hat er gesagt: "Dann schreibe ich euch lieber gleich ein neues Stück!" Aber mit den meisten Autoren arbeitet unsere hauseigene Dramaturgie sehr gut und konstruktiv zusammen.

Als Geschäftsführer und Miteigentümer des Thomas Sessler Verlages vertreten Sie über 1000 lebende und tote Bühnenautoren. In Ihrem Buch "Mich wundert nichts mehr" erzählen Sie von Ihren Erlebnissen mit Künstlerpersönlichkeiten wie u.a. H. C. Artmann, Helmut Qualtinger und Karl Farkas. Man gewinnt als Leser den Eindruck, dass Sie mit vielen Autoren freundschaftlich verbunden waren.

Ich habe den Beruf des Verlegers immer so verstanden, dass Autorinnen und Autoren nicht nur geschäftlich betreut werden, sondern auch menschlich, also im privaten Bereich. Helmut Qualtinger hat einmal zu mir gesagt: "Wenn ich einmal nicht mehr bin, kümmere dich bitte um meinen Sohn Christian, weil der braucht eine Unterstützung." Das ist bis heute so, mit dem einzigen Unterschied, dass er nun von meinem Sohn Sebastian, der mittlerweile genauso wie Maria Teuchmann zur Geschäftsführung des Verlages zählt, unterstützt wird. Oder wenn ich an Peter Turrini denke - mit ihm verbindet mich eine tiefe Männerfreundschaft, die über viele Jahrzehnte gewachsen ist.

Turrini schreibt über Sie: "Nachdem ich über 40 Jahre mit Uli Schulenburg befreundet bin und ebenso lange mit ihm zusammenarbeite und in dieser Zeit des Öfteren ein seelisch Zerzauster und ein finanziell Abgebrannter war, muss ich schon sagen, dass er mich nie hängen gelassen hat. Seine Freundschaft und seine Bartenden sind wirklich stabil." Solch ein Lob ist in diesem Gewerbe keineswegs selbstverständlich . . .

Ein Verleger hat an der Seite des Autors zu stehen und mit ihm zu kämpfen. Ich bin übrigens auch der Meinung, dass ein Verlag nur dann stark ist, wenn die Autoren untereinander ebenfalls eine Verbindung haben. Beispielsweise kannten sich Qualtinger und Turrini nicht persönlich. Ich habe die beiden zusammengebracht - und dann waren sie ein Herz und eine Seele. Ähnlich war es mit Brigitte Schwaiger und H. C. Artmann.

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