© Peter Jungwirth



INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 11. März 2023

»Wir sind bescheiden und wahnsinnig ehrgeizig«

Christine Dobretsberger im Gespräch mit Daniel Glattauer und Manuel Rubey

Seelenverwandte (Folge 18): Der Schriftsteller Daniel Glattauer und der Schauspieler Manuel Rubey über den Umgang mit Popularität.

"Wiener Zeitung": Herr Glattauer, worin genau gründet Ihre Seelenverwandtschaft mit Manuel Rubey?

Daniel Glattauer: Vor diesem Gespräch fragte ich meine Frau, die Manuel ebenfalls gut kennt, ob sie auch der Meinung sei, dass wir beide seelenverwandt sind. Sie meinte, ja, ihr seid beide weich, Menschenversteher, insbesondere Frauenversteher und technisch völlig unbegabt...

Manuel Rubey: ...obwohl wir beide gerne im Waldviertel am Land leben, wo handwerkliche Begabung sehr von Vorteil wäre ...

Glattauer: Unterscheiden würden wir uns darin, dass Manuel - im Gegensatz zu mir - ein Ästhet ist, Wert auf Äußeres legt, auf schöne Dinge. Er sei in dieser Hinsicht der Feingeistigere.

Rubey: Bei euch zu Hause ist immer alles sehr schön. Ich hätte gedacht, dass ihr beide diesen Sinn für Ästhetik habt, stelle aber gerade fest, dass dies alles von deiner Frau kommt!

Glattauer: Ich habe mir natürlich auch selbst Gedanken über unsere Seelenverwandtschaft gemacht. Ich fühle mich von Manuel verstanden, ohne mich verständlich machen zu müssen. Ich finde auch, dass wir uns beide bemühen, bescheiden aufzutreten, aber im Grunde wahnsinnig ehrgeizig sind. Eine gute Möglichkeit, das zu testen, ist beim Kartenspielen. Wir sind gute Verlierer, aber jeder von uns möchte gewinnen, wir haben diesen Zug zum Tor, wie man im Fußball sagt.

Rubey: Die Seelenverwandtschaft zeigt sich schon allein dadurch, dass du bereits alles vorweggenommen hast, was ich ebenfalls sagen wollte. Ich würde noch hinzufügen, dass wir sogar mit großer Würde verlieren können, und mag auch diese Kombination, dass wir einerseits die Sache selbst total ernst nehmen, uns selbst dabei aber nicht.

Wie haben Sie einander kennengelernt?

Rubey: Ich wurde auf Daniel über seine Kolumnen im "Standard" aufmerksam, die auch in meinem Freundeskreis sehr verehrt wurden. Ich bin wahnsinnig gerne Fanboy von etwas, begeistere mich gerne - das ist auch für meinen Beruf wichtig. Persönlich lernten wir uns dann über eine gemeinsame Bekannte im Waldviertel kennen. Wenn man dann einen Helden trifft und es passt auch noch alles, ist das natürlich das schönste Geschenk.

Glattauer: Wobei ich mich überhaupt nicht als Held betrachte, für mich ist Manuel der viel Interessantere von uns beiden. In meinem Wesen ist nichts Heldenhaftes, ich verstecke mich hinter meinen Büchern, bin nicht gern in der Öffentlichkeit. Wir leben das völlig unterschiedlich. Manuel hat sich auf bewundernswerte Art in die Öffentlichkeit begeben. Das ist ein gefährliches Terrain. Menschen können grausam sein, gerade erfolgreichen Personen vergönnt man den Misserfolg umso mehr.

Rubey: Es klingt jetzt vielleicht widersprüchlich, ich wäre auch lieber keine öffentliche Person, möchte aber, dass die Dinge wahrgenommen werden, die ich tue. Bob Dylan ist diesbezüglich mein großes Idol. Der Nobelpreis-Jury eine Woche lang nicht zur Verfügung zu stehen, ist sozusagen die Königsklasse. Aber als Schauspieler hat man eben nur seine persönliche Präsenz zur Verfügung und gleichzeitig wird es immer schwieriger, den Druck auszuhalten, eine sogenannte öffentliche Figur zu sein.

Glattauer: Ich bin ja deutlich älter als Manuel. Wäre ich in seinem Alter und hätte sein Aussehen, wäre es mir vielleicht auch schwerer gefallen, mich so zurückzuziehen, wie ich das in den letzten zehn Jahren getan habe. Ich bin aus dem Rhythmus ausgestiegen, alle zwei, drei Jahre einen Roman zu liefern. Ich möchte nicht an einem Buch arbeiten, nur weil es von mir erwartet wird. Zuerst muss die Idee da sein, ich muss wirklich hungrig auf ein Thema sein. Anders bei Manuel, er ist ein Getriebener seiner Popularität, man verlangt sehr viel von ihm.

Wenn man sich für den Schauspielberuf entscheidet, würde man annehmen, dass dies auch mit dem Wunsch verknüpft ist, im Rampenlicht stehen zu wollen.

Rubey: Da muss ich massiv widersprechen. Man kann Schauspieler sein und trotzdem ein schüchterner Mensch. Mir ist das Spielen total heilig, aber ich werde den Teufel tun, privat das Rampenlicht zu suchen. Es gibt von Udo Jürgens das schöne Zitat: "Ich kann ohne Applaus leben, aber nicht, wenn ich auf der Bühne stehe."

Glattauer: Ich kann das bestätigen, dass Manuel privat ein zurückgenommener, uneitler Mensch ist. Ich wohl auch, nur bei mir ist es logisch, darum bin ich ja Schreiber geworden. Mein Bruder war rhetorisch immer viel besser als ich. Bereits in der Pubertät merkte ich, wenn ich etwas schreibe, kann ich mir damit mehr Gehör verschaffen als durch Reden. Ein Freund meinte einmal, privat bist du nur ein Bruchteil von dem, was in deinen Büchern steckt. Das ist jetzt nicht unbedingt ein Kompliment, aber beim Schreiben wird offenbar viel von meiner Energie frei, die ich sonst gern in mir ruhen lasse.

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