© Robert Wimmer



INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 21. August 2021

»Auf der Bühne sind wir ganz wir selbst«

Christine Dobretsberger im Gespräch mit Ina Regen und Violetta Parisini

"Seelenverwandte" (Folge 12): Die Sängerinnen Violetta Parisini und Ina Regen über ihre Gemeinsamkeiten im kreativen Prozess - und darüber hinaus.

"Wiener Zeitung": Frau Regen, als wir Sie gefragt haben, wen Sie sich als seelenverwandten Gesprächspartner wünschen, haben Sie sich für Violetta Parisini entschieden, das hat sicher gute Gründe ...

Ina Regen: Das hat nur gute Gründe! Als Künstlerin war Violetta immer schon auf meinem Radar. Persönlich kennengelernt haben wir einander vor rund zwei Jahren auf einer Party, bei der wir sofort auf einer sehr tiefen Ebene miteinander ins Gespräch kamen. Dann war sie mein erster Podcast-Gast und hat meine Aufregung wunderbar abgefangen und es war ein sehr schönes, seelenverwandtes Gespräch. Von dieser Seelenverwandtschaft finde ich auch sehr viel in ihrer Musik wieder - ich könnte ihr jetzt die ganze Zeit Rosen streuen ...

Von außen betrachtet, gibt es einige Parallelen: Beispielsweise haben Sie beide sehr einprägsame Namen. Ist Violetta Parisini ein Künstlername?

Violetta Parisini: Nein, das ist mein bürgerlicher Name. Mein Urgroßvater war Italiener und meine Eltern haben dankenswerterweise beschlossen, dass sie dem Nachnamen einen passenden Vornamen zur Seite stellen. Pures Glück!

Regen: Wie kannst du mit diesem Namen nicht Künstlerin werden!?

Ihr bürgerlicher Name ist Regina Mallinger. Wieso entschieden Sie sich für einen Künstlernamen?

Regen: Aus dem Bedürfnis heraus, dass dieser Schritt zugleich ein Neuanfang sein sollte. Ehe ich mein erstes im Dialekt komponiertes Lied, "Wie a Kind", veröffentlichte, war ich über viele Jahre hinweg unter meinem bürgerlichen Namen in unterschiedlichen Projekten und Formationen auf der Bühne. Ich habe sicher ein Jahr lang Listen geführt mit Namen - und irgendwie hat es mich immer wieder zu Ina Regen hingezogen. Ich musste nur noch mit mir verhandeln, ob ich "Regen" gut mit meinem Gemüt vereinbaren kann. Aber im Grunde erinnert mich dieser Name immer wieder daran, dass ich aus dem Regen, also aus Tiefen, manchmal auch aus Wunden die Kraft schöpfe, überhaupt Musik machen zu wollen. Das gehört nicht nur zum Leben dazu, sondern setzt mich in eine Balance. Seit mir bewusst geworden ist, wie wichtig mir der Regen ist, besteht kein Zweifel mehr an diesem Namen.

Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass Sie beide zunächst auf Englisch gesungen haben und nun Ihre Lieder auf Deutsch texten. Was war dafür ausschlaggebend?

Parisini: Für mich war es ganz klar die Entscheidung für meine Muttersprache. Es ist die Sprache, in der ich das, was ich fühle und denke, am genauesten ausdrücken kann. Diese Genauigkeit hat Vor- und Nachteile: Im Englischen kann man atmosphärischer texten, auf Deutsch habe ich hingegen das Bedürfnis, sehr genau zu sein und mir jedes Wort nicht zuletzt dahingehend von allen Seiten anzuschauen, was ich damit bei anderen auslöse und bewirke. Das kann man in der Muttersprache am besten überblicken.

Regen: Weil die Muttersprache so viele Ebenen hat, auch so viele Erinnerungsebenen, die mit jedem Mal, wenn man ein bestimmtes Wort benutzt, dazukommen. Das macht es gleichzeitig so viel schwieriger zu dichten.

Parisini: Ich habe zwei Jahre gebraucht, bis ich ein Lied so getextet hatte, dass ich damit an die Öffentlichkeit gehen konnte, ohne Angst zu haben, in Klischees zu fallen oder zu kompliziert zu sein.

Regen: Man ist ein bisschen schutzloser in der Muttersprache ...

Sie sprechen da etwas an, das ebenfalls signifikant für Sie beide ist: nämlich keine Scheu davor zu haben, die eigene Verletzlichkeit und Sensibilität in der Öffentlichkeit zu thematisieren. In Ihrem Blog, Frau Parisini, gibt es beispielsweise das Zitat: "Man muss nicht unverwundbar sein, um stark zu sein. Ganz im Gegenteil."

Parisini: Ich denke, das ist eine ganz wesentliche Facette unserer Seelenverwandtschaft. Wir sind auf der Bühne ganz wir selbst - mit allen Höhen und Tiefen. Auch in unseren Texten sind wir intim, was gleichzeitig aber nicht zwingend bedeuten muss, das eigene Privatleben preiszugeben.

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