© Robert Wimmer

INTERVIEW Wiener Zeitung, Printausgabe 18. Juli 2020

»Wir sind beide Wald- und Wiesenkinder«

Christine Dobretsberger im Gespräch mit Ernst Molden und Ursula Strauss

Seelenverwandte (Folge 10): Der Musiker & Autor und die Schauspielerin über ihr erstes Aufeinandertreffen, die Verbindung zur Natur und ihre musikalische Kooperation "Wüdnis".

"Wiener Zeitung": Herr Molden, als ich Sie kontaktiert habe, wen Sie sich als seelenverwandten Gesprächspartner wünschen, haben Sie sich für Ursula Strauss entschieden. Das hat
sicher gute Gründe . . .


Ernst Molden: Einer der Gründe ist, dass wir sehr gut miteinander arbeiten können. Ich glaube, es verbindet uns, dass wir uns beide in unserer Arbeit eine manchmal fast an Infantilität grenzende Frische und Unbekümmertheit bewahrt haben. Ich liebe dieses Unbeschwerte, dieses "nicht auf Profi machen", sondern jede Aufgabe neu und fast mit den staunenden Augen eines Kindes zu betrachten. Gleichzeitig nehmen wir nichts nicht ernst. Uschi geht einerseits sehr offen und unverstellt an alles Neue heran, aber zugleich immer mit 150 Prozent Einsatz. Das ist die professionelle Seite unserer Seelenverwandtschaft, und in der Zwischenzeit hat es sich ergeben, dass wir uns einfach auch sehr gern mögen.

Wo haben Sie einander kennengelernt?

Ursula Strauss: Bei einer Charity-Veranstaltung für die VinziRast im Stadtsaal. Ernst hat im Backstagebereich gerade geprobt, ich wusste natürlich, wer er ist, aber wir waren uns zuvor noch nie persönlich begegnet.

Molden: Und du hast gesagt, da möchte ich auch mitsingen.

Strauss: An das erinnere ich mich nicht so. Es mag schon sein, dass ich so etwas Ähnliches gesagt habe, wie: das würde ich auch gerne können. Aber direkt zu sagen, da würde ich gerne mitsingen, das hätte ich mich gar nicht getraut. Aber jetzt bin ich natürlich sehr froh, dass du es so verstanden hast.

Molden: Einige Wochen später hat es sich dann ergeben, dass ich gefragt wurde, ob ich bei der Festwocheneröffnung 2013 mitwirken will, die damals ganz im Zeichen des Wienerliedes stand, bzw. in welcher Besetzung ich gerne auftreten möchte. Ich sagte mit Willi Resetarits, aber auch ein, zwei Lieder mit Ursula Strauss.

Strauss: Ich bekam fast einen Herzinfarkt, als ich das erfuhr.

Haben Sie im Rahmen Ihrer Schauspielausbildung auch eine Musicalausbildung erfahren?

Strauss: Nein, aber ich habe immer sehr gerne gesungen. Meine "Gesangsausbildung" hat bei den Pfadfindern und bei der Jungschar stattgefunden, im Kirchenchor und im Chor der Kantorei im Stiftsgymnasium Melk. Dann bin ich Kindergärtnerin geworden und sang die absurdesten Kinderlieder.

Molden: Für mich ist es der totale Segen, dass die Uschi keine Gesangsausbildung hat. Sie singt genauso unbeschwert, wie in ihrer Gegend, also im Donautal in der Wachau, die Musik in der Luft liegt. In der großen Zeit der Schrammelmusik gab es die sogenannten Natursänger, die beim Heurigen Wiederlieder gesungen haben. Berühmtestes Beispiel ist der kürzlich verstorbene Kurt Girk, der "Sinatra von Ottakring". Diese Leute haben aus ihrem wienerischen Alltag das Singen mitgebracht und dann sozusagen by doing geformt. Die Uschi ist eine perfekte Natursängerin.

Sie zählen zu den gefragtesten Filmschauspielerinnen im deutschsprachigen Raum und wurden im Mai zum fünften Mal mit der Romy als "Beliebteste Schauspielerin" ausgezeichnet. Steht man da nicht unter noch größerem Druck, wenn man den Ausflug in ein anderes Metier wagt?

Strauss: Ich denke nicht über das Scheitern nach, sondern ich bin zu neugierig am Probieren. Die Gefahr des Scheiterns ist etwas, das mich in diesem Beruf begleitet wie mein Schatten - sie ist ständig immanent. Aber wenn die Angst vor dem Scheitern eine zu große Stimme bekommt, dann geht nichts weiter. Ich habe einfach immer wahnsinnig gern gesungen, früher war das ein ganz selbstverständlicher Teil meiner Sozialisation, zwei meiner Brüder hatten eine Band, die Welt der Musiker hat mich immer sehr angezogen. Jetzt bin ich sehr glücklich, dass das Singen wieder Teil meines Lebens ist.

Vor kurzem ist Ihr erstes gemeinsames Album "Wüdnis" erschienen. Hat es für Sie beim Komponieren und Texten eine Rolle gespielt, zu wissen, Ursula Strauss ist Ihre Gesangspartnerin?

Molden: Ja, alle 12 Songs sind eigens für diese Konstellation geschrieben - und es war auch von Anbeginn klar, dass es eine absolut reduzierte Platte werden soll, dass es wirklich nur zwei Stimmen und eine Gitarre gibt. Ich höre am liebsten Folk und Blues, das sind Platten, die vor 70 bis 100 Jahren aufgenommen wurden. Vom Feeling her sollte sich dieses Album so ähnlich anfühlen wie der Sound von The Carter Family. Für "Wüdnis" hatte ich das Bild von zwei Musikanten vor Augen, die nach tagelangem Marsch durch dunkle Wälder und Sümpfe nun endlich ein Wirtshaus erreichen, sich - in meinem Fall - den Bierschaum aus dem Bart wischen und dann Lieder singen, die so klingen, als wären sie 100 Jahre alt, obwohl sie ganz neu geschrieben sind. Wir kommen mit diesen Liedern aus der Wüdnis und wir gehen nachher wieder in die Wüdnis. Das sollte der Gestus sein und es war die Herausforderung, die ich mir selbst gestellt habe. Uschi ging in jede Richtung wacker mit, das ist eine super Eigenschaft.

Wie nah sind Ihnen die Texte bzw. war Ihre Herangehensweise in Sachen Textinterpretation eine andere als beim Schauspiel?

Strauss: Man muss sich jeden Text zu eigen machen, was beim gesprochenen Wort ein Problem ist, wenn Texte nicht gut geschrieben sind. In solchen Fällen muss man mutig genug sein und sagen, das stimmt für mich nicht. Man muss die Figuren, die man darstellt oder die Geschichten, die erzählt werden sollen, verteidigen. Das musste ich in diesem Fall nicht, weil ich seine Sprache verstehe, ich verstehe, was er ausdrücken will, das kommt direkt in meinem Herzen an und ist auch ein Teil dieser Seelenverwandtschaft. Unsere Stimmen klingen auch gerne miteinander.

Weiterlesen: Wiener Zeitung

 

zurück « » Seitenanfang